17 Sep Sabine Happe interviewt Prof. Dr. Christoph Kemper
Sabine Happe, Partnerin und Ausbilderin im LUXXprofile Institut Hamburg hat Herrn Prof. Dr. Christoph Kemper interviewt, der als wissenschaftlicher Projektleiter an der Universität Luxemburg federführend die Entwicklung des LUXXprofile betreut hat.
Sabine Happe: Herr Prof. Dr. Kemper, wollen Sie sich zu Beginn des Interviews kurz vorstellen?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Gerne. Ich beschäftige mich seit mehr als 15 Jahren in Forschung, Lehre, Coaching und Beratung mit der menschlichen Persönlichkeit, wie man diese messen kann und welche Rolle die Persönlichkeit beim Handeln im Alltag spielt. Seit Anfang 2018 forsche und lehre ich an der HSD Hochschule in Köln. Wir haben dort ein Bachelor- und ein Masterprogramm für Psychologie. In meiner freiberuflichen Tätigkeit unterstütze ich Unternehmen und Privatpersonen dabei, ihr Humanpotenzial in Leistung, Zufriedenheit und Business Value zu übersetzen. Es geht dabei zum Beispiel um Recruiting, Teambuilding, Führungskräftetraining und Testentwicklung. Die meisten Ihrer Leserinnen und Leser kennen mich vermutlich über das LUXXprofile, das von mir entwickelt wurde.
Sabine Happe: Für diejenigen, die noch nicht so vertraut sind mit dem LUXXprofile – was hebt für Sie diese Persönlichkeitsdiagnostik am meisten ab von anderen Persönlichkeitstests am Markt?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Mit dem LUXXprofile können wir die dynamischen Aspekte der Persönlichkeit wie Motive, Ziele und Lebenspräferenzen von Menschen genauer betrachten. Es gibt meines Wissens keine Alternativen am Markt, um Motive so breit und umfassend zu messen, vor allem keine, die wissenschaftlich so fundiert sind. Das LUXXprofile wurde nach dem State-of-the-Art der psychometrischen Forschung entwickelt und qualitätsgeprüft. Hervorzuheben ist auch die der Normierung zugrunde liegende repräsentative Stichprobe der deutschen Bevölkerung, die für eine valide Interpretation der Testwerte wichtig ist. Das LUXXprofile ist ein wissenschaftlich geprüftes Testverfahren, das in vielen Bereichen der Personal- und Organisationsentwicklung sinnvoll eingesetzt werden kann, zum Beispiel für Teambuilding oder Talent Management.
Sabine Happe: Wir befinden uns in einer sehr veränderlichen Welt, gerade diejenigen, die sich mit Agilem Arbeiten beschäftigen, kennen die Abkürzung VUCA (volatility, uncertainty, complexity, ambuigity). Warum kann es gerade in einer VUCA-Welt interessant sein, seine Motive und somit seine eher unveränderlichen Wesensmerkmale zu kennen?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Um den immensen Herausforderungen der heutigen Arbeitswelt zu begegnen, ist es meiner Meinung nach unerlässlich, eine gute Vorstellung davon zu haben, wo man selbst steht. Was ist mir wichtig im Leben? Was sind meine Präferenzen? Wie geht es mir mit bestimmten Situationen und wie kann ich am besten damit umgehen? Niemand würde auf die Idee kommen, ein Schiff in schwerer See zu steuern, ohne einen Kompass auf der Brücke zu haben. Dennoch gibt es viele Menschen, die sich über diesen Kompass erstaunlich wenig Gedanken machen. Je genauer man sich selbst kennt, desto besser lässt sich auch in unruhigem Fahrwasser wie der heutigen Arbeitswelt navigieren. Das gilt natürlich auch für das Leben außerhalb des Büros.
Sabine Happe: Die LUXXprofile-Diagnostik weist hohe Qualitätsmerkmale auf, u.a. sprechen wir von einem zeitstabilen Ergebnis. Aber steht das nicht im Widerspruch dazu, dass wir uns permanent an Veränderungen in unserem Umfeld anpassen müssen?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Die Persönlichkeitsmerkmale, die mit dem LUXXprofile gemessen werden, sind relativ zeitstabil. Das bedeutet, dass jemand, bei dem wir mit dem LUXXprofile heute eine weit überdurchschnittliche Neugier feststellen, bei erneuter Testung in fünf Jahren sicher keinen durchschnittlichen Wert aufweisen wird. Es heißt aber nicht, dass Motivdispositionen unveränderlich sind. Aus der persönlichkeitspsychologischen Forschung der letzten beiden Dekaden, zum Beispiel von Brent Roberts geht hervor, dass sich Persönlichkeitsmerkmale unter bestimmten Umständen verändern können. In der Regel geschieht dies langsam, über den gesamten Lebensverlauf. Das sind sogenannte Reifungsprozesse. So werden Menschen im Laufe ihres Lebens bspw. emotional stabiler und gewissenhafter. Persönlichkeitsveränderungen können aber auch durch bestimmte Lebensereignisse angestoßen werden, wie zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Trennung, Todesfälle, Burnout, oder auch durch Psychotherapie bzw. Coaching.
Sabine Happe: Als Praktikerin möchte ich noch einmal auf die Zeitstabilität der Ergebnisse zurückkommen. In der Coachingpraxis bekommt man es manchmal mit dem Phänomen der „tanzenden Motive“ zu tun. Klienten sagen dann „da bin ich aber eigentlich anders als es hier steht“ – Motive scheinen also doch einer gewissen Veränderlichkeit zu unterliegen. Wie können Sie sich das vor dem wissenschaftlichen Hintergrund erklären?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Tanzenden Motive, das hört sich witzig an. Es kommt auch in meiner Coachingarbeit gelegentlich vor, dass ein Klient mit seiner Einordnung nicht zufrieden ist und eine andere Sichtweise hat. Entweder habe ich das Motiv nicht gut genug erklärt oder der Klient möchte sich mit diesem Aspekt seiner Persönlichkeit gerade nicht auseinandersetzen, eine Art Widerstand. Es bringt dann nichts, weiterzumachen. Ich gehe in der Regel zum nächsten Motiv über und greife den Punkt eventuell in der Zusammenschau des Reflektionsgesprächs noch einmal auf. Mit der Stabilität bzw. Veränderlichkeit von Motiven im Zeitverlauf hat dies jedenfalls nichts zu tun.
Sabine Happe: Bei welchen eher extremeren Lebenssituationen sollte man als Coach oder Berater Ihrer Einschätzung nach besonders sensibel mit dem Ergebnisprofil umgehen? Burnout, Schwangerschaft, Todesfall?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Bei Situationen im Leben, die starke Gefühle auslösen, ist Vorsicht geboten. Um die selbstbeschreibenden Aussagen in Persönlichkeitsfragebögen beantworten zu können, muss die Testperson Inhalte aus dem Gedächtnis, wie zum Beispiel frühere Erfahrungen abrufen. Aus der kognitiven Psychologie wissen wir, dass dieser Abruf von der Stimmung abhängt. Wenn ein Klient also gerade in einer stark positiven oder negativen Stimmung ist, wie zum Beispiel bei einer Trennung, einem Burnout, oder einer Depression, dann sind die Testergebnisse weniger belastbar.
Sabine Happe: In meiner Coachingpraxis erlebe ich, dass für Klienten manchmal der Weg vom Motiv zur Handlung sehr weit ist – wenn wir an Neujahrsvorsätze denken, geht das wohl jedem von uns so. Wo oder wodurch kann Handlungsenergie auf dem Weg zur Handlung verloren gehen?
Prof. Dr. Christoph Kemper: Ja, die lieben Neujahrsvorsätze. Ich gehe seit vielen Jahren ins Fitnessstudie, meide aber die erste Januarwoche. Da ist es einfach zu voll. Handlungsenergie kann an vielen Stellen verloren gehen bzw. war vielleicht von Anfang an nur unzureichend vorhanden. Es ist wichtig, die vom Klienten angestrebten Zielzustände nicht nur kognitiv, sondern auch emotional zu verankern. Dafür gibt es diverse Techniken, die man dem Klienten an die Hand geben kann, damit das Workout auch in KW 5 noch gemacht wird.
Sabine Happe: Letzte Frage: Mögen Sie uns verraten, woran Sie aktuell arbeiten? Dann wünsche ich Ihnen dafür – auch im Namen meiner Kollegen vom LUXXprofile Institut Hamburg – viel Erfolg und eine glückliche Hand. Ich danke Ihnen sehr für dieses spannende Interview!
Prof. Dr. Christoph Kemper: Ein paar Einblicke kann ich gerne geben. Mein Schwerpunkt liegt zurzeit in der Motivationsforschung. Hier untersuche ich beispielsweise, welche Rolle die Motive bei der Stressbewältigung spielen. Mein wichtigstes Forschungsprojekt in diesem Jahr wird eine Untersuchung zur Stabilität bzw. Veränderbarkeit von Motiven sein. Es gibt inzwischen zahlreiche Studien zu dem Thema mit Persönlichkeitsdispositionen aus dem Big Five-Modell, nicht aber zu Motiven. Ich werde immer wieder gefragt, wie es um die Veränderbarkeit von Motiven steht und kann dazu nicht viel Konkretes sagen, außer dass diese prinzipiell relativ stabil sind. Es wird Zeit, sich diese Frage empirisch anzusehen.